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Lars von Lima sagte February 2015
In den Gesamtkontext der Entwicklungen in/um die Ukraine / Svoboda usw. muss der nachstehende Eintrag im Internet gesehen werden. Sehr aufschlussreich:
http://german-foreign-policy.com/de/fulltext/59064
Mentale Revolution 26.02.2015 - HAMBURG/MÜNCHEN/BERLIN
Studierende und Absolventen der Bundeswehr-Universitäten in Hamburg und München huldigen den vermeintlichen militärischen Leistungen der NS-Generalität und fordern die Rückbesinnung auf sogenannte zeitlose soldatische Tugenden. Dies geht aus einer Buchpublikation hervor, die sich mit der "Gedankenwelt" junger deutscher Kampftruppenkommandeure befasst. Dem für die deutschen Streitkräfte verbindlichen Konzept der "Inneren Führung", das den Soldaten als "Staatsbürger in Uniform" definiert, wird hier eine klare Absage erteilt. Es handele sich um eine abstrakte "Kopfgeburt" ohne Bezug zur "Lebenswirklichkeit" der Militärs, schreibt einer der Autoren. Ein anderer nennt die für jeden Staatsbürger selbstverständliche Teilnahme am politischen Diskurs ein "lähmendes Gift". Zu Leitbildern werden stattdessen militärische "Professionalität" und "Opferbereitschaft" erhoben. Gefordert wird ein "starkes" und "homogenes" Offizierskorps, das sich bewusst von in der deutschen Gesellschaft vermeintlich weit verbreiteten Haltungen wie "Dekadenz", "Defätismus" und "Hedonismus" absetzen müsse. Als in diesem Sinne vorbildlich erscheinen hochrangige NS-Militärs wie Erich von Manstein und Erwin Rommel - ungeachtet der von ihnen begangenen Kriegsverbrechen. Mindestens einer der Autoren des Sammelbandes unterhält gute Beziehungen ins äußerst rechte politische Spektrum.
Fragwürdig In einem unter dem Titel "Armee im Aufbruch" erschienenen Sammelband, der Beiträge von Studierenden und Absolventen der Bundeswehr-Universitäten in Hamburg und München enthält, wird dem bis dato gültigen Selbstverständnis der deutschen Streitkräfte eine klare Absage erteilt. Die offizielle Vorstellung vom Soldaten als "Staatsbürger in Uniform" sei "keine Erfolgsgeschichte", sondern eine abstrakte "Kopfgeburt" der politisch-militärischen Führung "ohne Bezug" zu den "Lebenswirklichkeiten der Soldaten", schreibt etwa Oberleutnant Martin Böcker.[1] Schon während seines Studiums an der Münchner Hochschule der Bundeswehr war Böcker durch ähnliche Aussagen aufgefallen (german-foreign-policy.com berichtete [2]); seinerzeit bezeichnete er das Konzept des "Staatsbürgers in Uniform" als "fragwürdige(n) Begriff".[3] Böcker entstammt dem Umfeld des auf der äußersten politischen Rechten angesiedelten "Instituts für Staatspolitik" und gehört zu den Mitarbeitern der national-konservativen Wochenzeitung "Junge Freiheit".
Postheroisch Analog zu Böcker äußert sich Leutnant Jan-Philipp Birkhoff in seinem Beitrag für das Buch "Armee im Aufbruch". Laut Birkhoff, der an der Hamburger Bundeswehr-Universität Geschichte studiert, ist es wenig sinnvoll, von deutschen Soldaten einen "aufgeklärten Verfassungspatriotismus" zu erwarten, da ein solcher "für die brutale Praxis des Gefechts zu unbeständig" sei. Er verlangt vom "Führerkorps" der deutschen Streitkräfte vielmehr, sich bewusst von den Werten der bundesrepublikanischen Gesellschaft zu distanzieren. Diese wird von ihm als "postheroisch" qualifiziert und zeichnet sich seiner Auffassung nach insbesondere dadurch aus, dass "das Streben nach Ehre durch eine hohe Opferbereitschaft" öffentlich nicht mehr akzeptiert ist: "Zu unserer Gesellschaft gehör(en) heute mehr denn je Dekadenz, unkontrollierte Gewalt und Rücksichtslosigkeit. Zu der postheroischen Gesellschaft gehören Defätisten, radikale Hedonisten und arrogante Selbstdarsteller." Dies aber sei "völlig inkompatibel" mit dem "soldatischen Wesen".[4]
Professionell Als Gegenpol zum durch das Konzept des "Staatsbürgers in Uniform" unnötig "politisierten" Offizier favorisiert Birkhoff den "professionellen Führer": "Während der 'politisierte' Führer sich mit allen Unzulänglichkeiten der pluralistischen Gesellschaft auseinandersetzen muss und deren Differenzen ungewollt auch in die Truppe trägt, kann der professionelle Führer sich völlig auf den zentralen Inhalt seines Berufs konzentrieren." Ein dieser Art "professionalisierter" Offizier macht laut Birkhoff die "Natur des Krieges" zu seiner einzigen "Leitlinie" und orientiert sich nicht an "sozialer Akzeptanz", sondern an dem "brutal einfachen Satz der Effektivität": "Während in der Zivilgesellschaft Diskurs und politische Differenzen die demokratische Kultur bereichern, wirken sie als Charakterzug eines militärischen Führers wie lähmendes Gift." Ziel müsse letztlich eine "umfassende mentale Revolution" sein, die für die "Reinigung des Offiziersstandes" von "falsch verstandene(r) Toleranz und liberale(n) Auffassung(en)" sorge, erklärt Birkhoff. Diskussionen haben für ihn nur dann eine Berechtigung, wenn sie sich auf den "militärischen Nutzen" beschränken und dazu dienen, "unkonventionelle" Ideen zur Erringung "militärische(r) Siege" zu entwickeln. Als Vorbilder erscheinen Birkhoff in diesem Zusammenhang NS-Generäle wie Erich von Manstein und Erwin Rommel; die von den beiden Militärführern begangenen Kriegsverbrechen erwähnt er nicht.[5]
Preußisch Ähnlich wie sein Kommilitone Birkhoff äußert sich auch Leutnant Florian Rotter in seinem Beitrag für "Armee im Aufbruch". Seiner Auffassung nach bilden der Wunsch nach "Selbstverwirklichung", "Konsumlust", "Pazifismus" und "Egoismus" heutzutage die "Essenz gesellschaftlicher Werte": "Das mag für die Gesellschaft nicht zwingend negativ sein, aber eine Armee kann unter diesen Rahmenbedingungen nicht funktionieren." Rotter fordert daher eine Rückbesinnung auf "klassische preußische Tugenden" wie "Disziplin", "Treue", "Mut", "Pflichtbewusstsein" und "Gehorsam" sowie die Bereitschaft, "zu leiden, ohne zu klagen". Letztlich gehe es darum, den Angehörigen der Bundeswehr wieder den "Stolz" zu vermitteln, für "Grundsätze" einzutreten, die "einen permanenten Gegenpol zu unserer Gesellschaft bilden": "Wir sollten unser militärisches Erbe hochhalten und würdigen und uns wieder mehr darauf besinnen, was es heißt, Soldat zu sein."[6]
Elitär In Anlehnung an seine Mitstudenten Birkhoff und Rotter definiert Leutnant Max Udo Pritzke in seinem Beitrag die Ziele der Rekrutierung akademischen Nachwuchses durch die Bundeswehr. Es gehe darum, ein "in Haltung und Pflichterfüllung geschlossenes Offizierkorps" zu schaffen, das eine "homogene Gesamtheit" bilde und als "soldatische und bürgerliche Elite" fungiere, erklärt der Autor: "In meinen Augen kann nur der Offizier zu einer Elite gehören, der sich von der breiten Masse abhebt."[7]
Kritisch Etliche hochrangige Bundeswehrangehörige und Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministeriums haben "Armee im Aufbruch" in den höchsten Tönen gelobt. So schreibt etwa Oberst Uwe Hartmann vom "Kommando Heer" in seinem dem Buch vorangestellten Statement, der Sammelband biete "faszinierende Einblicke in die Gedankenwelt junger Offiziere" und liefere sowohl "innovative Ideen" als auch "kritische Reflexionen".[8] Dass hierin in erster Linie antidemokratische Haltungen zum Ausdruck kommen, ist offenbar unerheblich.
Bitte lesen Sie auch unsere Rezension. [1] Martin Böcker: Elmar Wiesendahls Athen und Sparta. Eine Kritik mit persönlichen Anmerkungen. In: Marcel Bohnert/Lukas J. Reitstetter (Hg.): Armee im Aufbruch. Zur Gedankenwelt junger Offiziere in den Kampftruppen der Bundeswehr. Berlin 2014. [2] Siehe dazu Eingeschränkte Demokratie. [3] Martin Böcker: "Wirkung geht vor Deckung". In: Campus. Zeitung des studentischen Konvents 3/2011. [4], [5] Jan-Philipp Birkhoff: Führen trotz Auftrag. Zur Rolle des militärischen Führers in der postheroischen Gesellschaft. In: Marcel Bohnert/Lukas J. Reitstetter (Hg.): Armee im Aufbruch. Zur Gedankenwelt junger Offiziere in den Kampftruppen der Bundeswehr. Berlin 2014. [6] Florian Rotter: Wie dienen? Preußische Tugenden im 21. Jahrhundert. In: Marcel Bohnert/Lukas J. Reitstetter (Hg.): Armee im Aufbruch. Zur Gedankenwelt junger Offiziere in den Kampftruppen der Bundeswehr. Berlin 2014. [7] Max Pritzke: Schein und Sein. In: Marcel Bohnert/Lukas J. Reitstetter (Hg.): Armee im Aufbruch. Zur Gedankenwelt junger Offiziere in den Kampftruppen der Bundeswehr. Berlin 2014. [8] Stimmen zu "Armee im Aufbruch". In: Marcel Bohnert/Lukas J. Reitstetter (Hg.): Armee im Aufbruch. Zur Gedankenwelt junger Offiziere in den Kampftruppen der Bundeswehr. Berlin 2014.
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