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Entwurf Institutionelles Rahmenabkommen (InstA)
In den letzten Jahren verhandelten die Schweiz und die EU über ein institutionelles Rahmenabkommen. Dieses soll die Anwendung bestehender und zukünftiger Marktzugangsabkommen regeln. Dieser Text zielt darauf ab, einen Überblick über den Entwurf zum Institutionellen Rahmenabkommen (InstA) zu bieten.
Ausgangslage
Seit dem Nein zum Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1992, verfolgt die Schweiz den bilateralen Weg mit der Europäischen Union (EU). Dementsprechend regeln die Schweiz und die EU ihre Berührungspunkte, indem sie Verträge miteinander abschliessen. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU werden aktuell durch die 20 zentralen bilateralen Abkommen sowie in über 100 weiteren Abkommen geregelt. Die Abkommen ermöglichen Schweizer Unternehmen den Zugang zu gewissen Sektoren des EU-Binnenmarktes und regeln die Zusammenarbeit in weiteren Bereichen. Gleichzeitig versucht die Schweiz grösstmögliche Souveränität zu wahren. Die EU ist der grösste Handelspartner der Schweiz. Der EU-Handel ist für 53 Prozent der Schweizer Exporte sowie 71 Prozent der Schweizer Importe verantwortlich. Zwischen der Schweiz und der EU findet ein täglicher Warenaustausch im Wert von einer Milliarde Franken statt. Abkommen wie zum Beispiel das zum Abbau von technischen Handelshemmnissen (MRA), erleichtern diesen Warenaustausch und führen zu Einsparungen bei Unternehmen, die mit dem EU-Raum Handel betreiben. Als Voraussetzung für das Weiterführen des bilateralen Wegs forderte die EU ein institutionelle Rahmenabkommen, also eine Vereinbarung darüber wie grundsätzlich mit gewissen bilateralen Verträgen zu verfahren ist. Seit 2014 wurden diesbezüglich Verhandlungen geführt.
Inhalt des Rahmenabkommens
Im Dezember 2018 wurden die Verhandlungen mit einem Entwurf zum Institutionellen Rahmenabkommen (InstA) beendet. Im vorliegenden Entwurf wurde ausgehandelt, dass das InstA nur die fünf bestehenden Marktzugangsabkommen betrifft:
- Personenfreizügigkeit (FZA)
- Landverkehr
- Luftverkehr
- technische Handelshemmnis-se und
- Landwirtschaft
Alle anderen bilateralen Abkommen sind vom InstA nicht betroffen. Jedoch sollen zukünftige Marktzugangsabkommen ebenfalls unter das InstA fallen. Das InstA ist ein ergänzender Vertrag zu den bestehenden Marktzugangsabkommen. Es enthält sogenannte institutionellen Mechanismen, welche den Kernbestandteil des InstA bilden. Diese Mechanismen regeln die Abläufe bezüglich der Rechtsentwicklung, der Überwachung, der Rechtsauslegung und der Streitbeilegung dieser Verträge. Bei Bedarf können die Vertragsparteien dadurch die Abkommen anpassen.
Rechtsentwicklung
Sowohl die Schweiz als auch die EU passen ihre Gesetzgebung fortlaufend an ihre eigenen Bedürfnisse an. Dies kann dazu führen, dass Rechtsabweichungen zwischen der Schweiz und der EU entstehen. Damit die Schweiz weiterhin Zugang zum EU-Binnenmarkt erhält, müssen die bestehenden Marktzugangsabkommen laufend dem EU-Recht angepasst werden. Im Entwurf des InstA verpflichten sich die Schweiz und die EU, die Abkommen den relevanten EU-Rechtsentwicklungen anzupassen. Bei relevanten EU-Rechtsentwicklungen wird die Schweiz konsultiert und kann ihre Anliegen einbringen. Bei einer Veränderung des EU-Rechts kann die Schweiz über die Übernahme jeder Anpassung des Vertrags einzeln entscheiden. Die Anpassungen müssen das ordentliche Entscheidungsverfahren der Schweiz durchlaufen. Gegen die Anpassungen kann somit das Referendum ergriffen werden. Ist die Schweiz nicht gewillt die Anpassungen zu übernehmen, kann die EU ein Streitschlichtungsverfahren einleiten.

Quelle: EDA - Dynamische Rechtsentwicklung
Überwachung
Zur einheitlichen Überwachung des Abkommens kommt in diesem Fall ein Zwei-Pfeiler-Modell zum Einsatz. Jede Partei ist grundsätzlich auf ihrem jeweiligen Territorium für die Durchsetzung der Verträge verantwortlich. Zusätzlich werden durch das InstA zwei Ausschüsse gebildet. Ein erster sogenannter Gemischter Ausschuss be-steht aus Vertretern beider Parteien und überwacht das InstA und das allgemeine Verhältnis der Schweiz und der EU. Der zweite, der Gemischte parlamentarische Ausschuss, besteht zu gleichen Teilen aus Vertretern der beiden Parlamente, und kann sich in Form von Berichten und Resolutionen zu den Entwicklungen im Rahmen des InstA äussern.
Rechtsauslegung
Um die Rechtssicherheit zu gewährleisten, sollten die betroffenen Abkommen möglichst gleich interpretiert werden. Grundsätzlich sollen die Abkommen nach völkerrechtlichen Prinzipien ausgelegt werden. Für die Auslegung des, in die Abkommen übernommenen, EU-Rechts zieht das Schiedsgericht den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bei. Bestehen somit Unklarheiten darüber wie EU-Recht zu verstehen ist, präzisiert der EuGH diese Regelungen.
Streitschlichtung
Falls Streitigkeiten bei der Übernahme von relevantem EU-Recht entstehen, können die Vertragsparteien jeweils den Gemischten Ausschuss mit der Problemlösung beauftragen. Findet dieser innerhalb von drei Monaten keine Lösung, kann jede Partei die Einsetzung eines Schiedsgerichts verlangen. Dieses Gericht besteht zu gleichen Teilen aus europäischen und Schweizer Richtern. Liegt der Konflikt allerdings in der Auslegung oder Anwendung von EU-Recht, schaltet das Schiedsgericht den EuGH ein. Dieser legt das EU-Recht aus und das Schiedsgericht schlichtet den Streit gestützt auf dieser Auslegung. Die Parteien sind an die Gerichtsbarkeit des Schiedsgerichts gebunden. Setzt eine Partei das Urteil nicht um, kann die Gegenpartei Ausgleichsmassnahmen, also Sanktionen, aussprechen. Diese Sanktionen werden wiederum vom Schiedsgericht auf ihre Verhältnismässigkeit geprüft. Unverhältnismässige Ausgleichsmassnahmen sind nicht zulässig.
Ausnahme der Rechtsübernahme
Das Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA) ist ein Marktzugangsabkommen und fällt somit unter das InstA. Der Bundesrat fordert jedoch in drei Bereichen Ausnahmen von der dynamischen Rechtsübernahme und zwar bezüglich der flankierenden Massnahmen, der Unionsbürgerrichtlinien sowie einer Revision der Verordnung zur Koordination der Sozialversicherungen.
Die flankierenden Massnahmen
Das FZA zwischen der Schweiz und der EU trat 2002 in Kraft. 2004 wurden zum Schutz der Schweizer Erwerbstätigen vor Verletzungen der Schweizer Lohn- und Arbeitsvorschriften, die sogenannten flankierenden Massnahmen eingeführt. Der Bundesrat will diese flankierenden Massnahmen weiterhin beibehalten. Die EU hält die flankierenden Massnahmen seit deren Beginn für nicht konform mit dem Personenfreizügigkeitsabkommen. Diese Reglung ist zentraler Ausgangspunkt der EU für die Ausarbeitung des InstA. Das InstA bietet keine Grundlage für flankierende Massnahmen. Jedoch hat die EU bestimmten, aus ihrer Sicht, verhältnismässigen Massnahmen zugestimmt. Diese umfassen:
- Branchenspezifische Voranmeldefrist von vier Arbeitstagen (heute 8 Tage)
- Das Hinterlegen einer Kaution, vor Arbeitsbeginn, bei Akteuren, die in der Vergangenheit finanziellen Verpflichtung nicht nachgekommen sind.
- Die Schweiz darf nachträglich Dokumente von selbständigen Dienstleistern kontrollieren und auf rechtmässige Geschäftsführung prüfen.
Unionsbürgerrichtlinien (UBRL)
Die UBRL legen Pflichten und Rechte zwischen Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten der EU sowie der EU selbst fest. Aus Sicht der EU sind diese Richtlinien eine Weiterentwicklung der Personenfreizügigkeit und sie sieht die Schweiz in der Pflicht, diese zu übernehmen. Die Schweiz widerspricht dieser Auffassung. Sie stört sich besonders an drei Punkten der Richtlinien:
- Ausbau der Sozialhilfeansprüche
- Ausweitung des Ausweisungsschutzes
- Daueraufenthaltsrecht ab fünf Jahren Aufenthalt
Im vorliegenden InstA werden die UBRL nicht erwähnt. Der Schweiz wird dementsprechend keine explizite Ausnahme zugestanden. Die EU hat jedoch darauf verzichtet, die Erfüllung dieser Richtlinien an ein bestimmtes Datum zu knüpfen. Entstehen bei der Umsetzung dieser Richtlinie Streitigkeiten, würde das Streitschlichtungs-verfahren des InstA, falls in Kraft, zum Einsatz kommen.
Koordination der Sozialversicherungen
Auf EU-Ebene wird derzeit eine Revision der Verordnung zur Koordination von Sozialversicherungen erarbeitet. Ein zentraler Punkt dieser Revision betrifft den Wechsel der Zuständigkeit für Arbeitslosenleistungen an Grenzgänger. Dadurch könnten der Schweiz, mit über 300'000 Grenzgängern, Mehrkosten im Vergleich zur heutigen Regelung entstehen. Diese Revision ist noch nicht abgeschlossen und wird deshalb auch nicht im Rahmenabkommen erwähnt. Jedoch wird unabhängig vom InstA erwartet, dass die EU die Übernahme der neuen Revision fordern wird.
Kündigungsklausel
Das InstA enthält eine Kündigungsklausel. Nach einer Kündigungsfrist von sechs Monaten tritt das InstA mit allen neuen Abkommen, die während der Zeit des InstA geschlossen wurden, ausser Kraft. Die fünf bereits bestehenden Marktzugangsabkommen, welche durch das InstA abgedeckt wären, würden dadurch nicht direkt gekündigt. Der Vertrag sieht eine Verhandlungsfrist von drei Monaten vor. Können sich die Parteien auf eine Lösung einigen, bestehen die Abkommen weiter. Andernfalls treten diese nach einer weiteren Kündigungsfrist von sechs Monaten ausser Kraft.
Aktueller Stand
Im Dezember 2018 wurden der Entwurf an den Bundesrat übergeben. Die EU erklärte die Verhandlungen für abgeschlossen. Der Bundesrat leitete daraufhin eine Konsultation ein. Diese interessenpolitische Analyse soll dem Bundesrat als Grundlage für sein weiteres Vorgehen dienen. Die Ergebnisse werden im Frühjahr 2019 erwartet. Entscheidet sich der Bundesrat zur Unterzeichnung, muss das InstA anschliessend dem Parlament und gegebenenfalls dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Andernfalls wird der Bundesrat die EU für weiter Verhandlungen kontaktieren.
Literaturverzeichnis [ ein-/ausblenden ]
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Seit dem Nein zum Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1992, verfolgt die Schweiz den bilateralen Weg mit der Europäischen Union (EU). Seit 2014 verhandelten die Schweiz und die EU über ein institutionelles Rahmenabkommen. Dieses soll die Anwendung bestehender und zukünftiger Marktzugangsabkommen regeln. Der Entwurf des Rahmenabkommens (InstA) betrifft die fünf bestehenden Marktzugangsabkommen. Alle anderen bestehenden bilateralen Abkommen sind davon nicht betroffen. Jedoch sollen zukünftige Marktzugangsabkommen ebenfalls unter das Rahmenabkommen fallen. Das InstA beinhaltet institutionelle Mechanismen, welche die Rechtsentwicklung, Überwachung, die Rechtsauslegung und die Streitschlichtung bei diesen fünf Marktzugangsabkommen regeln. Die Schweiz will drei Bereiche des Personenfreizügigkeitsabkommens von der dynamischen Rechtsentwicklung ausnehmen. Die flankierenden Massnahmen, die Unionsbürgerrichtlinien und eine Revision der Verordnung zur Koordination der Sozialversicherungen. Das Rahmenabkommen befindet sich zurzeit in der Vernehmlassung bei den entsprechenden Anspruchsgruppen. Im Frühjahr 2019 werden die Ergebnisse dieser Vernehmlassung vorliegen. Wenn sich der Bundesrat dazu entscheidet das Abkommen zu unterzeichnen muss es noch dem Parlament, sowie allenfalls dem Volk, zur Abstimmung vorgelegt werden. Andernfalls wird der Bundesrat die EU für weitere Verhandlungen kontaktieren.
Technische Handelshemmnisse
Technische Handelshemmnisse sind Massnahmen, welche den Import bestimmter Waren erschweren oder beschränken. Anders als bei Zöllen handelt es sich dabei nicht um monetäre Hürden, sondern zum Beispiel um Normen, Vorschriften bezüglich Verpackung, Etikettierung usw.
Dynamische Rechtsübernahme
Die dynamische Rechtsentwicklung bzw. Rechtsübernahme beschreiben, in diesem Kontext, die laufende Anpassung der betroffenen Verträge an EU-Recht, wobei die Schweiz über jede einzelne Anpassung entscheiden kann.
Gemischte Ausschüsse
Die gemischten Ausschüsse verwalten die Umsetzung der bilateralen Verträge. Sie setzten sich aus Vertretern der EU und der Schweiz zusammen. Für jedes bilaterale Abkommen, mit Ausnahme von zweien, besteht ein gemischter Ausschuss. Ein Ausschuss trifft sich normalerweise einmal jährlich.
Flankierende Massnahmen
Flankierende Massnahmen sind arbeitsmarktliche Regelungen, die ausländischen Arbeitgebern aufgelegt wer-den. Diese Auflagen sollen verhindern, dass ausländische Arbeitnehmer zu Arbeits- und Lohnbedingungen arbeiten, welche nicht dem Schweizer Standard entsprechen.
Kommentare von Lesern zum Artikel
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Heinrich Dimmler sagte February 2020 Nein und nochmals nein zu diesem Knebelvertrag! |
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Alex Schneider sagte April 2019 „Steigende Rechtssicherheit? Die Schiedsgerichtsbarkeit gibt nicht nur der Schweiz andere als die bisherigen Spielräume, sondern auch der EU. Die bisherigen Straf- und Einschüchterungsmassnahmen der EU haben dem Geist der bisherigen Verträge klar widersprochen. Wenn nun der Rahmenvertrag die EU auf den Rechtsweg via Schiedsgericht verweist, ändert das wohl wenig an ihrer Bereitschaft, entgegen dem Geist von Verträgen und Abkommen mit der Schweiz zu handeln. Oder anders gesagt: Wenn schon die Schweiz auf das Ausnützen der Spielräume des Abkommens setzt, ist es eher unrealistisch zu glauben, die EU-Länder hielten sich strikt an den Geist des Abkommens. Folglich werden die Nadelstiche nicht aufhören, die Rechtssicherheit nicht zunehmen und der Spielraum der Schweiz weiter beschränkt werden. (Prof. R. Eichenberger, NZZ,13.4.19) |
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